Vergleichstest
Pioneer vs. Onkyo: AV-Receiver im Test
Zur IFA 2012 schicken Onkyo und Pioneer zwei Nobel-Receiver an den Start. Gegenüber früheren Jahrgängen haben die schweren Geräte auf der Rückseite abgespeckt. Taugen sie trotzdem was?

Die Testkandidaten
- Pioneer SC-LX 86
- Onky TX-NR3010
Die Entwickler von AV-Receivern sind nicht zu beneiden: Bereits die untere Mittelklasse bietet inzwischen sogar im Netzwerkbereich jede Menge Features an, und viele bezahlbare Steuerzentralen können schon auf 4K-Video hochskalieren. Wie sollen sich da die Riesen der Oberklasse noch publikumswirksam in Szene setzen?
Pioneer: Philosophie
Pioneer hat sich als japanischer Hersteller alter Traditionen der Insel besonnen und versucht damit, seinem, ebenso wie der Rivale TX-NR3010 von Onkyo bis zum Rand mit High-Tech vollgestopften, SC-LX86 eine Seele einzuhauchen.
Das hilft auf jeden Fall dem Autor, seinen Testbericht etwas aufzulockern, und entlockt einem bisweilen ein Schmunzeln: Die "Advanced-Multi-Channel-Stereophonic-Philosophie" soll neue Antworten auf die alte Frage nach dem besten Klangkonzept liefern. Mit einem Schuss "Minamoto" (Quelle), einer Brise "Waza" (Fähigkeit) und einem Hauch "Tamashi" (Seele) soll der sanfte Riese seinen Besitzer verwöhnen.
Die technische Umsetzung der blumigen Worte fernöstlicher Weisheit klingt dagegen schon wieder reichlich konventionell: Im Zuge von Minamoto bekam der SC-LX86 Direct-Energy-Endstufen, eine digitale Verstärkung. Waza führte zu einer bewährten Lösung: dem Einsatz der MCACC-Einmess-Automatik mit integrierter Phasenkorrektur. Und Tamashi bestätigte die bisherige Linie: Wie bei vielen anderen Produkten haben beim Feintuning die angesehenen AIR Studios aus England ein gewichtiges Wörtchen mitgeredet, um dem Receiver schließlich das Zertifikat "AIR Studios Monitor" zu verleihen.
Zudem erfüllt der Pioneer aus diesem Ansatz heraus die THX-Spezifikationen: eine Tradition, die gerade Mitbewerber Onkyo konsequent seit Jahren pflegt. So schmücken sich beide getesteten Receiver mit dem Siegel THX Ultra 2 Plus.
Pioneer vs. Onkyo: Konstruktion der Endstufen
Bei der Konstruktion ihrer Neun-Kanal-Endstufen gehen die Philosophien der beiden Hersteller wieder auseinander. Onkyo setzt auf eine klassische analoge dreistufige Inverted-Darlington-Verstärkerschaltung, die vor allem für ihre hohe Stromlieferfähigkeit bekannt ist, weil sich drei Transistoren die Arbeit teilen, die sonst ein Halbleiter allein erledigt.
Mit seinen bereits erwähnten Direct Energy-Endstufen stellt Pioneer Energie-Effizienz, die nicht unbedingt zu den Stärken der Darlington-Schaltungen zählt, an die oberste Stelle. Seit 2010 vertraut Pioneer auf diese Digital-Endstufen, während in den preisgünstigen Modellen analoge Class-AB-Verstärker zum Zuge kommen. Die neueste Variante nennt sich New Direct Energy HD Amplifier und zeichnet sich durch ein vereinfachtes Schaltungslayout mit kürzeren Signalwegen sowie zweiseitiger Hitze-Ableitung aus.
Dabei ersetzt der neue Direct Power FET den bisherigen MOSFET. Durch seine spezielle flache Bauweise kann der neue Transistor ohne Sockel und Drahtverbindung direkt auf die Platine gelötet werden. Damit sinken die Impedanz und Kapazität der Schaltung und die Hitze wird nicht nur wie bisher über die Oberseite des Halbleiters, sondern auch über die Unterseite der Platine abgeführt.
Gegenüber einem konventionellen analogen Class-AB-Verstärker soll Pioneers Digitallösung stolze 44 Prozent der eingesetzten Leistung im Mehrkanal-Betrieb einsparen. Nebenbei deklariert der Hersteller seinen neuen Receiver wegen der geringeren Hitzeentwicklung bei stetiger Belastung in allen Kanälen als geeignet für den Dauerbetrieb an Lautsprechern mit 4 Ohm Nenn-Impedanz - und zwar ohne die übliche Impedanz-Umschaltung.
Pioneer vs. Onkyo: Bildverarbeitung
Leicht aufgerüstet hat Pioneer auch im Video-Bereich, wo jetzt Signale mit 4K-Auflösung durchgereicht werden können. In Sachen Skalierung bescheiden sich die Japaner mit 1080p, während Onkyo seit der letzten Generation auch Standard-Video ins Ultra-HD-Format hochrechnen kann.
Damit betreut der TX-NR3010 ein bewährtes Gespann: Der HQV Vida VHD 1900 leistet die Vorarbeit. Der Mikrochip beherrscht 12-Bit-Farbverarbeitung mit aufwendiger Vier-Feld-Bewegungsanpassung. Mit seinem Bild-Chip kann der Onkyo ebenso wie der Pioneer die an Fliegenschwärme erinnernden "Moskito"-Störungen, die sich um die Konturen von Internet-Videos bilden, sowie das bei YouTube-Inhalten ebenfalls verbreitete Block-Rauschen effektiv verringern. Das hat der Praxis-Check gezeigt, bei dem sich beide Bildverarbeitungen als äußert fein dosierbar und praxisgerecht erwiesen.
Allerdings verbessert Onkyo mit einer Art "Nachbrenner" Videosignale bei Bedarf von 1080p auf 4K mit 4.096 x 2.160 Bildpunkten. Diese Rolle übernimmt ein Chip der Firma Marvell mit seiner patentierten Qdeo-Technologie, die in der Bildbewertung auch sehr gute Ergebnisse lieferte.
5 AV-Receiver um 1.000 Euro im Vergleich
Im Bildbereich kommt im aktuellen Onkyo-Jahrgang noch eine Neuerung zum Einsatz: Die InstaPrevue-Technologie ermöglicht eine Live-Vorschau der verfügbaren Inhalte aller über HDMI angeschlossenen Geräte. Wer nicht mehr weiß, an welchen Eingang er welche HDMI-Komponente angeschlossen hat, kann sich die Signale im Vorschaufenster anzeigen lassen und dann seine Quellenwahl treffen.
Pioneer vs. Onkyo: Anschlüsse und Streaming
Immerhin stehen dem Besitzer des TX-NR3010 inklusive der Frontbuchse neun HDMI-Eingänge und die in dieser Klasse üblichen zwei -Ausgänge zur Verfügung, von denen einer als Zone-2-Ausgang für HD-Video in einem zweiten Raum bereitsteht. Hier kann der SC-LX86, der sich mit "nur" acht HDMI-Eingängen bescheidet, auftrumpfen: Er besitzt zwei HDMI-Ausgänge für Zone 1 plus einen zusätzliche Ausgang für eine weitere Zone mit HD-Video-Programmen.
Auch bei Analog-Video punktet er mit drei zu zwei Komponenten-Eingängen und zwei zu eins bei den -Ausgängen sowie einer größeren Anzahl von Standard-Video-Anschlüssen gegenüber dem Onkyo.
Dem Pionieer liegt der AVNavigator auf CD-ROM bei. Die Software spielt mit dem Besitzer als interaktive Anleitung alle Anschlüsse und Einstellungen durch, sofern er einen PC hat und ihn mit dem Receiver verbindet. Die Einstellungen werden dann direkt vom SC-LX86 übernommen.
Ansonsten geben sich die beiden Receiver nach allen Seiten offen: Sie verwöhnen einerseits mit Internet-Radio und Netzwerk-Audio-Streaming, andererseits gestatten sie den Anschluss analoger Schallplattenspieler mit MM-Systemen. Und beide spielen mit dem Apple iPod und dem iPhone zusammen. Sie verfügen sogar über MHL-Anschlüsse (Mobile High Definition Link) zur Wiedergabe von Smartphone-Inhalten auf HDTV-Geräten. Pioneer verwöhnt darüber hinaus mit AirPlay samt dem Adapter AS-WL300 für drahtloses Audio-Streaming von Apple iDevices und Rechnern mit iTunes ab 10.1.
Pioneer vs. Onkyo: Hörtest
Im Hörtest ging es in Stereo vergleichsweise eng zu. Der Onkyo übezeugte mit einem riesigen Raum, der sowohl in der Höhe als auch in der Breite deutlich über die Boxen hinauswuchs und sich in der Raumtiefe fast bis zum Hörplatz erstreckte. Bei Live-Aufnahmen wie vom Eagles-Album Hell Freezes Over kam der Applaus so weit auf einen zu, dass man sich im Publikum wähnte und zwangsläufig nachschaute, ob wirklich nur die beiden Front-Lautsprecher laufen.
Derart räumlich und ortungsscharf konnte der Pioneer nicht aufspielen, dafür konterte er mit authentischen Klangfarben und einem Hauch mehr Körper und Wärme bei Stimmen und Naturinstrumenten. Bass Drums kamen noch satter aus dem Keller, während dem Onkyo ganz unten der letzte Nachdruck fehlte. Diese emotional packende Wiedergabe gelang dem Pioneer auch im Surround-Betrieb.
Die gesamte Performance wirkte noch smoother und stimmiger. Der Onkyo ließ zwar Becken fauchen, schien dabei aber den Begriff "Blech" wörtlich zu nehmen, der Pioneer wirkte oben herum nicht ganz so transparent, traf aber die Klangfarben von den tiefsten Bässen bis in die höchsten Tonlagen eine Spur besser. Dagegen profilierte sich der Onkyo trotz eines beherzten Eingreifens der Schutzschaltung als Dynamiker mit extremer Attacke.
Standpunkt
Manchmal sind es beinahe beiläufige Kleinigkeiten, die für Perfektionisten den Reiz kostspieliger Receiver ausmachen. So störte mich am 700 Euro teuren Onkyo TX-NR818 die blassblaue Beleuchtung des Lautstärkereglers, deren Farbton sich mit dem grün illuminierten Display biss.
Am 2.500 Euro teuren Oberklasse-Onkyo beweisen die Designer, dass sie offenbar ein ähnliches Stilempfinden hegen, sofern es das Produktionsbudget zulässt. Und wer für den Pioneer einen Aufpreis hinblättert, darf sich über durchgängig vergoldete Buchsen freuen.