Surround-Vor-/Endstufe
Marantz AV8801 & MM8077 im Test
AV-Receiver verdrängen andere Komponenten und machen sich sogar in der Oberklasse breit. Marantz beugt sich nicht dem Trend und lockt mit einer gerade noch erschwinglichen Vor-/End-Kombi. Lohnt sich der Aufwand?

Unter dem gemeinsamen Dach der D&M Holding gedeiht Marantz prächtig. Die traditionsreiche Marke profitiert gerade auch im Software-Bereich massiv von den gemeinsamen Ressourcen, hebt sich aber durch eigene Abstimmungen, eigene Technologien und vor allem auch durch andere Programmschwerpunkte von der Schwestermarke Denon ab.
Ganz unten setzt Marantz auf Slimline-Receiver und positioniert am oberen Ende eine verlockende Kombination aus Vor- und Endstufe zielstrebig genau in der Lücke zwischen dem Receiver-Flaggschiff AVR-4520 und der ganz weit oben angesiedelten zweiteiligen Lösung.
Damit schließen die Produktplaner nicht nur eine Lücke im eigenen Haus, sie ziehen auch die Aufmerksamkeit aller auf sich, denen ein Receiver nicht genug Flexibilität und Leistung bietet, die aber nicht in eine exorbitant teure High-End-Lösung investieren wollen. Ein Gesamtpreis von über 5.000 Euro, an dem die nicht gerade als Sonderangebot konzipierte Vorstufe einen Löwenanteil trägt, ist für die meisten eine Stange Geld. Dennoch dürfte es schwer sein, im gesamten Markt etwas Vergleichbares zu finden.

Vorstufe AV8801: Randvoll mit Technik
Dass hier nicht nur einfach ein Receiver auf zwei Gehäuse verteilt wurde, bekommt man bereits in der Vorstufe drastisch vor Augen geführt. Obwohl die Auslagerung der Endstufe schon allein wegen der damit verbundenen Kühlkörper viel Platz einspart - vom Netzteil einmal ganz abgesehen -, findet sich in der stattlichen AV8801 kein einziger freier Winkel.
Das liegt vor allem an einer Spezialität dieser Vorstufe. Marantz machte schon immer dadurch von sich reden, dass in den eigenen Geräten so weit wie möglich in den klangrelevanten Bereichen die üblichen integrierten Schaltungen durch diskrete ersetzt wurden. Doch in der AV8801 gingen die Entwickler noch einen Schritt weiter. Im vorderen Bereich erstreckt sich auf einem Sockel aus Metall eine Bank von 13 Hyper Dynamic Amplifier Modules (HDAM), um jeden der 11.2 Kanäle zu besonderer Leistung zu beflügeln.
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Im Gegensatz zu den üblichen ICs können die sorgfältig von den Kanälen getrennten und diskret aufgebauten Module richtig Strom liefern, um die Endstufe effektiv anzusteuern. Das ist gerade auch ein Plus, wenn jemand versucht, die Endstufe abseits vom Vorverstärker zu positionieren, um kurze Lautsprecherkabel und die einhergehende gesteigerte Kontrolle der einzelnen Chassis zu erreichen. Dann kommen nämlich ganz schnell ein paar Meter Kabel zwischen Vor- und End-Verstärker zusammen.

In diesem Fall ist es auch von Vorteil, dass sich Besitzer von Marantz-Verstärkern zwischen Cinch- und XLR-Verbindungen entscheiden können. Letztere sind besonders immun gegen Störeinstrahlung. Wie bei Marantz in der gehobenen Preisklasse üblich, wurde das solide Chassis mit einer Kupferschicht überzogen, um die Einstrahlfestigkeit zu verbessern. Spielraum für Verbesserungen fanden die Ingenieure in der Masseführung und der Stromversorgung - mit dem Ziel, den Rauschabstand gegenüber der Vorgänger-Vorstufe AV7701 zu verbessern.
Eine weitere Dynamiksteigerung gegenüber üblichen Multikanal-DACs soll die Verwendung von sieben D/A-Wandern vom Typ Burr-Brown 1795 bringen, denn jeder Baustein ist nur für zwei Kanäle zuständig. Das Team von Klang-Guru Ken Ishiwata hat außerdem das Bass-Management für einen besseren Übergang zwischen Satelliten und dem Subwoofer optimiert.
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Darüber hinaus verhindert das neue Bass Sync Zeitverzögerungen zwischen den Vollbereichskanälen und dem LFE-Kanal für tieffrequente Effekte. Hier entdeckte Marantz in Versuchen mit vielen Musiktiteln von DVDs und Blu-rays Abweichungen von mehreren Millisekunden.
AV8801: Netzwerkfunktion
Wer sich im Wohnzimmer nicht mit Netzwerk-Kabeln verheddern will, der findet an der Streaming- und Internet-Radio-tauglichen Vorstufe einen Vierfach-Ethernet-Switch, der die AV8801 zum Netzwerk-Hub für andere Geräte wie zum Beispiel Blu-ray-Player macht. Wie in den Top-Receivern von D&M besteht volle 4K-Kompatibilität: Ultra-HD-Videosignale werden nicht nur durchgeschleift, bei Bedarf skaliert die AV8801 sogar Standard-Video auf 3.840 x 2.160 Bildpunkte.

Endstufe MM8077: Aufbau
Gegenüber den immensen Möglichkeiten der Vorstufe wirkt die 7-Kanal-Endstufe wie ein archaischer Kraftprotz, der 2 x 164 Watt an 8 Ohm und 2 x 265 Watt an 4 Ohm an die soliden, vergoldeten Lautsprecherklemmen stemmt. In Surround sind es 5 x 136/201 Watt an 4/8 Ohm.
Ein pfiffiges Feature bekam auch der MM8077: Damit er seinen Besitzer im Betrieb nicht mit Lüftergeräuschen belästigen kann, wurden seine diskret aufgebauten Endstufen um einen querliegenden Kühlschacht hinter der Frontplatte herum angeordnet. Um die Elektronik vor Belästigungen durch die magnetischen Streufelder des mächtigen Ringkerntransformators zu schützen, erhielt er zusätzlich zu seiner gegenüber konventionellen Eisenkerntrafos schon vorteilhaften Bauweise eine Kapselung.
Hörtest
Auch wenn es über den Amp vielleicht nicht so viel zu sagen gibt wie über die High-Tech-Vorstufe, im Hörtest konnte er voll überzeugen. Bei der Einzelbetrachtung der beiden Komponenten zeigte sich, dass der dicke Brocken maßgeblich für eine besonders eindrucksvolle Stärke des Marantz-Teams verantwortlich zeichnet: Ob mit Filmen oder mit Musik-CDs gefüttert, lotete die Kombi die untersten Oktaven mit einer Präzision und einem Tiefgang aus, der in diesem Bereich seinesgleichen sucht.
Gegenüber teuren AV-Receivern ließ sich das bemerkenswerte Plus an Kontur und Nachdruck im Tiefbass nicht nur hören, sondern auch fühlen. Diese Eigenschaft zeigte der MM8077 auch in Verbindung mit anderen Vorstufen, während die AV8801 sich mit anderen Endstufen nicht durch einen besonderen Einsatz in den untersten Tiefbass-Regionen hervortat.

Sauberkeit hat Vorrang
Beide Partner verfügen über eine überragende Neutralität in Verbindung mit höchster Sauberkeit, was sie zu einem exzellenten Team zusammenschweißt. Diese beiden Komponenten treten gegenüber den Programmen, die sie wiedergeben, in den Hintergrund.
Mit ihnen kann man stundenlang hören, ohne sie eigenmächtiger Manipulationen an Klangfarben oder am Raumeindruck zu überführen. Es kommt auch nicht oft vor, dass eine Abstimmung den Anforderungen von Film-Freaks und Audiophilen klassischer Prägung in diesem Umfang gleichermaßen gerecht wird.
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Die Abbildung überzeugte sowohl im Stereo-als auch im Surround-Betrieb, wo eine präzise Ortung von Phantomschallquellen möglich war.
Gibt es bei so viel Licht auch ein wenig Schatten? Ja, aber die Betonung liegt auf wenig. Die Vorstufe ist kein ausgesprochenes Dynamik-Wunder und geizt bei den Klangfarben mit dem letzten Quäntchen Schmelz. Das führt dazu, dass die ansonsten in jeder Hinsicht überragende Kombination in diesen beiden Belangen dem preislich vergleichbaren Arcam-Receiver AV888 und den - teureren - Zweiteilern der Briten unterliegt.
Der Trick mit dem Stick
Fast alle AV-Steuerzentralen mit USB-Anschluss verlangen nach der FAT16/FAT32-Formatierung. Dieses Windows-Format lässt sich auch auf einem Mac erzeugen oder lesen. Problematisch wird es trotzdem, weil der AV8801 wie die meisten anderen Vorverstärker allergisch auf die unsichtbaren Desktop-Dateien reagiert, die Rechner mit OS X auf den Memory-Sticks dabei anlegen.
Diese Daten zeigt der Marantz nicht nur an, was den Benutzer verwirrt. Er versucht auch, die Alias-Dateien der Titel abzuspielen, was zu Fehlermeldungen führt. Mac-User müssen deshalb genau hinschauen: Aliases lassen sich am Unterstrich im Dateinamen erkennen - nicht anwählen!
Fazit
Klanglich gesehen, ist die MM8077 der Primus inter pares, was sie für 2.000 Euro zum absoluten Überflieger macht. Doch auch die Vorstufe AV8801 ist schwer zu toppen.