Ukrainische Spezialitäten
MP3Count.com, Raubkopierers Traum
Avtorske pravo ist das ukrainische Wort für etwas, wofür sich im fernen Osteuropa anscheinend niemand interessiert: das Urheberrecht. Jüngstes Beispiel: Ein ukrainisches Internet-Portal verkauft MP3s zu Preisen, bei denen die Urheber garantiert leer ausgehen.
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- Teil 2: MP3Count.com, Raubkopierers Traum

Die Ukraine. Da ist Kiew, oft als "Mutter aller russischen Städte" und "Jerusalem des Nordens" bezeichnet. Da ist das Schwarze Meer mit der schönen Halbinsel Krim, wo der berühmte Krimsekt herkommt. Da ist die Heimat der sauer-scharfen Wurstsuppe Soljanka. Und dann ist da noch eine Website, die zurzeit wie keine andere von sich reden macht.MP3Count.com verkauft Musik im beliebten MP3-Format zu Schnäppchenpreisen: 18 US-Cent pro Song will der Dienst von seinen Nutzern haben, umgerechnet rund 14 Euro-Cent. Und ganze Alben sind noch einmal zehn Prozent günstiger als die Summe aller Songs. Die MP3-Dateien werden ohne jeglichen Kopierschutz und in hoher Qualität angeboten - die Bitrate beträgt mindestens 128 kbit/s, oft liegt sie aber sogar bei 320 kbit/s. Und bezahlen kann man mit Kreditkarte - MasterCard, Visa und sogar Diners Club. Mit Blick auf die Preise und Leistungen von MP3Count.com wird man schnell misstrauisch: Da kann es nicht mit rechten Dingen zugehen und das im wahrsten Sinne des Wortes. Wofür man bei MP3Count.com ein ganzes Album bekommt, ist bei anderen Musik-Download-Portalen gerade mal ein Song erhältlich. Im Vergleich mit iTunes, Musicload und vielen anderen Diensten ist MP3Count.com um etwa 90 Prozent billiger! Und das, obwohl auf DRM verzichtet wird: Das digitale Rechte-Management sorgt normalerweise dafür, dass man Musik-Downloads nicht unendlich oft kopieren oder auf verschiedene MP3-Player überspielen kann. Was ist also dran am Angebot von MP3Count.com? Ein Blick zurück hilft, den Ukrainern auf die Schliche zu kommen. Dass es sich bei MP3Count.com um ein illegales Angebot handelt, ist nach Erfahrungen der Vergangenheit so gut wie sicher.
Was bisher geschah
Die Idee hinter MP3Count.com ist nicht neu. Schon auf dem in der Download-Szene legendären russischen Portal AllOfMP3.com, das seit Juli 2007 nicht mehr existiert, gab es ein ähnlich großes Angebot von internationalen Musiktiteln. Zu "besten Zeiten" wurde es wöchentlich um ungefähr 250 Alben ergänzt! Neben den aktuellen Charts aus den USA, England, Deutschland und Frankreich waren Klassiker und weniger bekannte Titel aus nahezu allen musikalischen Genres und verschiedenen Epochen vertreten. Nur 10 Cent kostete der durchschnittliche Download jedes einzelnen Songs. Und da die Preise bei AllOfMP3. com genau wie bei MP3Count.com in US-Dollar angegeben wurden, profitierten die Nutzer in Europa zusätzlich vom schwachen Dollar-Kurs. Die Bezahlung bei AllOfMP3.com war übrigens mit MasterCard und Visa möglich - auch da unterschied sich das russische Angebot nicht vom ukrainischen MP3Count.com. So professionell das Angebot von AllOfMP3.com über Jahre funktionierte, so deutlich mussten sich Nutzer und Anbieter im Klaren darüber sein, dass es zumindest nach Maßstäben der westeuropäischen und amerikanischen Musikindustrie illegal war. Auf ihrer Website versicherten die Anbieter, vollkommen legal nach russischem Recht zu handeln. Das Unternehmen "Media Services", Betreiber von AllOfMP3.com, würde Abgaben an die russische Verwertungsgesellschaft ROMS zahlen (Russian Organization on Collective Management of Rights of Authors and other Rightholders in Multimedia Digital Networks & Visual Arts). Und damit käme man der Urheberrechtsabgabe an die Künstler nach. Die für westliche Verhältnisse viel zu geringen Preise für die Musiktitel würden lediglich den russischen Einkommensverhältnissen entsprechen. Merkwürdig, dass bei so viel "Legalität" das Unternehmen "Media Services" seinerzeit weder telefonisch noch unter der offiziellen Geschäftsadresse in Moskau zu erreichen war.

Der Kampf der Musikindustrie
Die Musikkonzerne betonten immer wieder, dass es keinerlei internationale Lizenzvereinbarungen mit AllOfMP3.com gäbe, und die Verbreitung der Musik über das Internet damit illegal sei. Es ist davon auszugehen, dass die Situation bei MP3Count.com nicht anders ist. Für AllOfMP3.com kam das Aus von höchster Stelle: In einem Handelsabkommen zwischen den USA und Russland wurde ausdrücklich festgehalten, dass Russland den Vertrieb urheberrechtlich geschützter Werke zu bekämpfen habe. Russland verpflichtete sich in dem Vertrag, Ermittlungen und Strafverfahren speziell gegen die Betreiber von AllOfMP3.com zu ermöglichen. Außerdem sollte Russland die eigenen Gesetze um die Bestimmungen des weltweiten Abkommens der WIPO (World Intellectual Property Organization) ergänzen, das den Schutz der Urheberrechte von Musikern und Produzenten regelt. Das Handelsabkommen, das den Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation WTO erleichterte, wurde im November 2006 unterzeichnet.

Unmittelbar danach reichten die vier amerikanischen Plattenfirmen EMI, Sony BMG, Universal und Warner Music in New York Klage gegen AllOfMP3.com ein. Wegen massiver Verletzung der Urheberrechte forderten die Unternehmen neben einer Unterlassungserklärung eine hohe Schadensersatzsumme. Die französische Verwertungsgesellschaft Sacem (Societe des Auteurs, Compositeurs et Editeurs de Musique) folgte im März 2007 und reichte eine Klage ein. Sacem argumentierte, dass AllOfMP3.com Musik von französischen Rechteinhabern unerlaubt und zu "lächerlichen Preisen" anbieten würde. Die britische Verwertungsgesellschaft BPI (British Phonographic Industry) hatte ihre Klage schon im Juli 2006 eingereicht.Auf einem anderen Weg war der Weltverband der Musikindustrie IFPI (International Federation of the Phonographic Industry) gegen AllOfMP3.com erfolgreich. Die dänische Sektion der IFPI hatte im Oktober 2006 per Gerichtsentscheid bewirkt, dass der dänische Internet-Provider Tele2 den Zugang seiner 750.000 Kunden zur Webseite von AllOfMP3.com blockieren musste. Tele2 kündigte zunächst Berufung an, weil es nicht die Aufgabe eines Zugangsanbieters sein könne, über die Rechtmäßigkeit von Websites zu wachen. Es war von Zensur die Rede, die mit chinesischen Verhältnissen verglichen wurde.