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Der Herausforderer

Microsoft Silverlight

Mit dem Plug-in Silverlight und dem Anwendungspaket Expression Studio will Microsoft verloren gegangenes Terrain im Webpublishing wieder gut machen. Und das kann das Tool:

Autoren: Redaktion pcmagazin und Frank Puscher • 10.10.2007 • ca. 5:30 Min

Microsoft Silverlight
Microsoft Silverlight
© Archiv

Zurück ins Jahr 1995. Die ersten deutschen Unternehmen bauen Websites zur Publikation im Internet. Die gestalterische Disziplin Webdesign ist noch jung. Die meisten Seitenkonstrukteure entwickeln ihren HTML-Code von Hand, programmieren jedes Tag selbst. Sehnsüchtig wird ein Werkzeug erwartet, d...

Zurück ins Jahr 1995. Die ersten deutschen Unternehmen bauen Websites zur Publikation im Internet. Die gestalterische Disziplin Webdesign ist noch jung. Die meisten Seitenkonstrukteure entwickeln ihren HTML-Code von Hand, programmieren jedes Tag selbst. Sehnsüchtig wird ein Werkzeug erwartet, das die Gestaltung von Layouts fürs Web intuitiver werden lässt. Da übernimmt Microsoft einen Anbieter namens Vermeer und veröffentlicht einen der ersten WYSIWYG-Editoren namens Frontpage. Das Tool bleibt über Jahre hinweg erste Wahl bei ambitionierten Seitengestaltern.

Ausgeklügelte Technik erlaubt es sogar, feststehende Seitenmodule als Templates zu definieren, die vollautomatisch in die Seite eingefügt werden, sobald der Designer auf "Veröffentlichen" drückt. Der HTMLCode, den Frontpage erzeugt ist alles andere als zufrieden stellend. Das Tool fügt jede Menge überflüssigen und - was noch schwerer wiegt - nicht standardkonformen Code in die Seiten ein. Die Browser reagieren unterschiedlich auf Frontpage-Code. Macromedia und das Hamburger Unternehmen Golive erkennen das, entwickeln bessere Editoren und verbannen Microsoft Frontpage vom Markt.

Multimedia kommt ins Spiel

Zeitsprung ins Jahr 2000. Es gibt nur zwei Techniken für Online-Video, die sich im Netz durchsetzen. Apples Quicktime besetzt das Marktsegment für High-Quality-Video und dient vor allem Agenturen zur Präsentation ihrer Bewegtbildwerke. Microsoft deckt mit dem Windows Media Format (WMF) die untere Qualitätsstufe ab. Mit WMF werden kleine Filme generiert, die sogar bei Modemleitungen noch flüssig laufen.

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Das Interface von Expression Web ähnelt Frontpage, die Leistung wurde aber deutlich verbessert.
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Doch wieder unterläuft Microsoft ein gravierender Fehler. Die Redmonder können sich nicht vorstellen, dass Video zum integralen Bestandteil von Webseiten werden könnte und starten jeden WMF-Film in einer aufdringlichen Playerkonsole. Und wieder ist es Macromedia, denen es mit der Flash-Technik gelingt, gleich gute Videos nahtlos in Seiten zu integrieren. Heute benutzen fast alle Videoportale das Flash-Format. WMF führt ein Nischendasein bei bezahltem Content.

Die Aufholjagd beginnt

Jetzt tritt Microsoft als neuer Herausforderer auf den Plan. Mit vier neuen Werkzeugen und einem Browser-Plug-in will man verloren gegangenes Terrain wiedergutmachen. Der Universal-Konkurrent in allen Disziplinen heißt Adobe, inzwischen Besitzer der Flash-Technik. Pikanterweise startet das Publishing-Haus Adobe den Gegenangriff. Mit Apollo sollen Tausende von Flash-Entwicklern in die Lage versetzt werden, Software für den Desktop zu schreiben oder zu portieren. Die Strategie, der Microsoft folgt, basiert auf zwei Säulen.

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Zum einen gehört der HTML-Editor Expression Web zum neuen Expression Studio, ist aber auch einzeln erhältlich. Bewusst bricht Microsoft mit dem alten Namen Frontpage, um in der Web-Designer-Szene gar keine unguten Erinnerungen aufkommen zu lassen. Vom Interface her ist die Verwandtschaft zum ehemaligen Vermeer-Editor aber nicht zu leugnen und das ist auch gut so.

Die drei anderen Werkzeuge von Studio dienen der Herstellung grafischer Interfaces für Silverlight-Anwendungen und der Bündelung von unterschiedlichen Medientypen, allen voran natürlich Video. Dabei setzt Microsoft von Anfang an konsequent auf eine Trennung zwischen Programmierung und Gestaltung. Das Coding übernehmen die gängigen Programmierwerkzeuge der Visual-Serie, also Visual Basic, C++ oder C#.

Hier setzt Microsoft den Hebel an: Endlich sollen Software-Entwickler mit einfachen Mitteln in die Lage versetzt werden, reichhaltige Online-Anwendungen zu erzeugen. Die Gestalter ergänzen den Code mit schönen Designs, Vektoranimationen, Sound und Video. Insofern ist die direkte Konkurrenz zu Flash nicht zu leugnen. Alle bisher in Silverlight sichtbaren Beispielanwendungen ließen sich ebenso auch mit dem Adobe-Werkzeug erstellen. Die Trennung zwischen Code und Grafik hat Macromedia ebenfalls bereits vor Jahren vollzogen mit einer Code-Umgebung namens Flex.

Der User entscheidet

Das aufkommende Duell zwischen Microsoft und Adobe soll sich also durch die entwicklerische Kraft der jeweiligen Gemeinde entscheiden. Die C++-Programmierer auf der Seite von Microsoft, die Grafiker, Photoshoper und Flasher für Adobe. Nicht zu unterschätzen ist dabei natürlich die politische Ebene. Beide Konzerne pflegen starke Beziehungen zu den Medienhäusern, welche die Inhalte liefern.

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Letztlich entscheiden die Inhalte darüber, ob Benutzer sich der Mühe unterziehen, die jeweilige Software, die zum Abspielen der Inhalte nötig ist, auf den Rechner zu laden. Für den User ändert sich kurzfristig nicht viel. Silverlight-Anwendungen verlangen den Download und die Installation eines knapp zwei MByte großen Plug-ins, das für alle gängigen Plattformen zur Verfügung steht.

In künftigen Windows-Versionen, vermutlich auch durch ein Windows-Update, hat es Microsoft natürlich leichter, seine Technik zu verteilen. Andererseits beherrscht Adobe den gigantischen Markt der interaktiven Onlinewerbung. Es gibt fast keine große Site, deren Werbung nicht in Flash ausgeführt ist und den Download der Software verlangt.

Fazit

Es wird für Microsoft schwer, in einen Markt einzudringen, den Adobe so umfassend und zuverlässig bedient. Das Erlernen eines neuen Werkzeugs wie Expression Blend ist unnötig, solange der Designer damit nicht mehr machen kann, als mit seinem gewohnten Flash. Die dichte Integration zwischen den anderen Adobe-Werkzeugen, vor allem aber zwischen Photoshop und Flash schafft weitere Haltekräfte.

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Nette Idee: Durch einfaches Ziehen verändert Expression Design variable Parameter.
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Microsoft könnte es über den Preis der Tools versuchen. Expression Studio kostet nur einen Bruchteil einer CS3-Suite, ist aber immer noch zu teuer für den kleinen Webdesigner. Expression Web hingegen hat das Zeug, GoLive und Dreamweaver Marktanteile abzujagen. Das Werkzeug ist gut, bietet aber auch nicht den entscheidenden Mehrwert um Adobe- Bestandskunden zur Konvertierung zu treiben.

DIE EXPRESSION TOOLS

Das Programmpaket besteht aus vier Werkzeugen mit ganz unterschiedlichen Einsatzbereichen. Die Oberfläche von Expression Web ist konservativ und ähnelt den Ansätzen von Frontpage.

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Die drei anderen Programme sind in einem grauschwarzen Oberflächendesign gehalten und erfreuen durch teilweise klug erdachte Interaktionsmodelle. Gefällig ist vor allem eine Systematik zur Modifikation von Parametern wie zum Beispiel Schriftgrößen.

Expression Web

Der HTML-Editor erzeugt inzwischen einwandfreien, Standard-konformen Code. Er überzeugt durch feste Integration eines passablen FTP-Clients und zeigt vor allem bei CSS-Layouts seine Stärken. Einzelne Code-Klassen lassen sich einfach per Drag and Drop von einem internen zu einem externen Stylesheet verschieben.

Auch die optische Vorschau eines CSS-Layouts bleibt näher an der Browser-Wirklichkeit, als zum Beispiel bei Dreamweaver. Größere Schwächen zeigte der mit 299 Dollar eher günstige Editor im ersten Test keine.

Expression Design

Das Grafikwerkzeug ist eine Art Mini-Illustrator zur Vorbereitung von grafischen Elementen für Silverlight-Anwendungen. Das Zeichnen von Grafiken funktioniert passabel. Im- und Export sind hingegen schlichtweg untauglich. Abgesehen von Illustrator-Dateien kann Design nur Pixelgrafik-Formate laden. Die Konvertierung in eine Vektorgrafik funktioniert grobmaschig und ungenau.

Das Speichern fertiger Dateien gelingt nur in einem proprietären Format, das außer den Expression Tools keine Anwendung lesen kann. Die Unterstützung von SVG fehlt komplett.

Expression Media

Die Medienbibliothek von Microsoft kann sich sehen lassen. Der Konkurrent aus dem Hause Adobe wäre eine Kombination aus Lightroom und Bridge. Media sammelt unterschiedlichste Dateiformate, arrangiert sie virtuell zu Projekten und Bibliotheken und ermöglicht einfache Bearbeitungen. So lassen sich Fotos zu Kontaktabzügen arrangieren und drucken Eine starke Funktion ist die Unterstützung von RAW-Dateien aus Digitalkameras. Das wesentliche Merkmal des Programms ist die Vergabe von Metadaten auch an Dateiformate, die das nicht unterstützen.

Expression Blend

Der eigentliche Flash-Konkurrent Blend kombiniert und arrangiert Medien entlang von Timelines und gibt ihnen Interaktion. Die Applikation selbst wird als XAML-Datei geschrieben. Auch die Animation von Vektorgrafiken basiert auf der Scriptsprache, die gegebenenfalls im Zusammenspiel mit Serverseitigen Programmierungen ausgelöst und verändert werden kann. Einen ähnlichen Ansatz zeigt Adobe mit ActionScript 3 und dem Befehl "Copy Animation to Actionscript".

Das Interface von Blend funktioniert einfach. Jedes Objekt kann eine eigene Timeline oder eine Interaktion erhalten. Ein Ansatz, der Einsteigern vermutlich leichter von der Hand geht, als das Flash- Modell mit der universellen Timeline und den verschachtelten Movieclips. Allerdings zeigt Blend auch deutliche Schwächen. Der Import von Videos gelingt nur über die Codecs des MediaPlayer 10. Ein handlicher Video-Konverter, wie ihn Flash-Kenner schätzen, fehlt bei Microsoft.