Tipps & Grundlagen
Makrofotografie: So gelingen perfekte Nahaufnahmen
Vom Zwischenring bis zum Focus-Stacking: Unser Ratgeber zur Makrofotografie liefert wichtige Grundlagen und hilfreiche Zubehör-Tipps.

Der Unterschied zwischen Nah- und Makroaufnahme ist fließend. Als Nahaufnahme wird man ein Bild immer dann identifizieren, wenn von einem großen Objekt ein relativ kleiner Ausschnitt abgebildet wird - zum Beispiel ein markantes Detail eines Autos. Der Regelfall ist dabei eine starke Verkleinerung des Motivs auf dem Bildsensor.
Bei Makroaufnahmen aber sucht man Mittel und Wege, sehr kleine Motive in annähernd realer Größe oder sogar vergrößert auf den Bildsensor zu bannen. Die Makro-Perspektive spielt nicht nur bei Natur-, sondern auch bei Sachaufnahmen eine wichtige Rolle: Sammler kleiner Objekte wie Uhren, Schmuck oder Mineralien nutzen sie gerne, um ihre Schätze zu dokumentieren und um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen.
In jedem Fall birgt das Eintauchen in den fotografischen Mikrokosmos eine Menge Überraschungen - positive wie negative. Denn der fotografische Nahbereich ist nicht ohne Tücken. Wer neu in die Makrofotografie einsteigt, sollte zunächst mit viel Ausschuss rechnen. Warum das so ist und wie man seine Trefferquote systematisch erhöht, klärt dieser Beitrag.
Wie man Makro definiert
Traditionell wird die Makrofotografie über den Abbildungsmaßstab definiert, wobei man die Grenzen des Makrobereichs meist von der zehnfachen Verkleinerung (1:10) bis zur zehnfachen Vergrößerung (10:1) eines Objekts am Aufnahmemedium steckt. Dabei gilt der Abbildungsmaßstab unabhängig vom verwendeten Aufnahmeformat.
Wird folglich ein Objekt im Abbildungsmaßstab 1:1 fotografiert, hat es in der Abbildung am Bildsensor exakt die gleiche Größe wie in Wirklichkeit, bei 1:2 ist die Abbildung halb so groß, bei 2:1 dagegen doppelt so groß wie das reale Motiv. Das konkrete Aufnahmeformat spielt dabei nur mit Blick auf den resultierenden Bildausschnitt eine Rolle.

Zu Zeiten des analogen Films wussten die Fotografen ziemlich genau über die Größe Ihres Aufnahmeformats Bescheid; heute trifft das immer noch für das am Kleinbildfilm orientierte "Vollformat" (36 x 24 cm) zu. Bekannt sind auch die Sensor-Abmessungen des Four-Thirds- Formats (17,3 x 13 mm, Crop-Faktor 2,0) bei den 1-Zoll-Sensoren, die Nikon für das System 1 oder Sony bei der RX100 verwendet (13,2 x 8,8 mm, Crop-Faktor 2,7). Aber schon das verbreitete APSC- Format ist nicht exakt festgelegt; die möglichen Abmessungen variieren etwa zwischen 22-23,5 x 15-16 mm, die dazugehörigen Crop-Faktoren liegen zwischen 1,5 und 1,6.
Eher ratlos dürften viele Besitzer einer Kompaktkamera sein, wenn man sie nach der Größe ihres Aufnahmeformats befragt. Zudem sagt der Abbildungsmaßstab bei der Aufnahme nichts darüber aus, in welcher Größe ein Objekt nach der Aufnahme tatsächlich abgebildet wird - etwa auf einem Print aus dem Tintenstrahler oder abgedruckt in einer Zeitschrift. Deshalb tritt an die Stelle des Abbildungsmaßstabs heute vermehrt die pragmatische Frage: Welche technischen Mittel benötige ich, um ein kleines Objekt auf einem gegebenen Bildsensor formatfüllend abzubilden? Bei den Tests von Makro-Objektiven in ColorFoto wird z.B. mit sensorbezogenem Maßstab gearbeitet und die immer gleiche Vorlage formatfüllend abgebildet.
Wie Makros möglich werden
Bleiben wir bei den Kompaktkameras. Die meisten von ihnen bieten eine Makro- Einstellung, mit der geringe Aufnahmedistanzen im Zentimeterbereich und damit annähernd formatfüllende Abbildungen kleiner Objekte möglich werden. Die kleinen Sensoren und kurzbrennweitigen Objektive sorgen im Makrobereich für einen wünschenswerten Zugewinn an Schärfentiefe. Auch Standard-Zoomobjektive für Systemkameras ermöglichen häufig Makroaufnahmen ohne weitere Hilfsmittel. Das Sigma 2,8-4,5/17-70 mm weist zum Beispiel eine Makro-Eignung bis zum Abbildungsmaßstab 1:2,7 aus, was einer etwa dreifachen Verkleinerung des realen Motivs in der Aufnahme entspricht.

Spezielle Makro-Objektive wie etwa das AF-S DX Micro-Nikkor 3,5/85 mm G ED VR oder das Canon EF 2,8/100 Makro L IS USM ermöglichen einen Abbildungsmaßstab bis 1:1; will man mehr, muss man sie mit auszugsverlängernden Hilfsmitteln wie Zwischenringen oder einem Balgengerät kombinieren.
Einen preisgünstigen Einstieg in die Makrofotografie erlauben Nahlinsen, die in verschiedenen Stärken erhältlich sind und wie Filter vor die Frontlinse geschraubt werden. Sie sind für das Objektiv, was die Lesebrille für den Weitsichtigen ist: ein optisches Hilfsmittel für die Nähe. Wie bei der Brille wird die Stärke der Nahlinse in Dioptrien angegeben. Nahlinsen-Kits bestehen meist aus vier Exemplaren unterschiedlicher Stärke, häufig bis 4 Dioptrien. Stärkere Nahlinsen (z.B. mit 10 oder 20 Dioptrien) sind im Einzelfall verfügbar. Nahlinsen verkürzen die Brennweite des Objektivs und ermöglichen Abbildungsmaßstäbe bis etwa 1:1.
Tipp: Unbedingt abblenden, weil die Bildqualität mit Nahlinsen bei offener Blende meist bescheiden ist.
Wenn der Abstand zwischen Bildsensor und Blendenebene des Objektivs größer wird als der Abstand zwischen Blendenebene und Motiv, sollte man ein normales Objektiv in Retrostellung verwenden, um die Abbildungsqualität zu verbessern. Retrostellung heißt, dass die Frontlinse in Richtung Kamera schaut und das Bajonett in Richtung Motiv.
Realisieren lässt sich dies mit einem Umkehrring, der auf der einen Seite ein Gewinde, passend zum Filtergewinde des Objektivs, besitzt und auf der gegenüberliegenden Seite einen Anschluss für das Kamerabajonett. Je nach verwendetem Objektiv ergibt sich durch die Retro-Stellung bereits eine mehr oder weniger ausgeprägte Makrowirkung. Zusätzliche Zwischenringe oder ein Balgengerät erweitern die Einstellmöglichkeiten. Eine Sonderform des Umkehrrings ist der Novoflex EOS-Retro, der dank Kabelverbindung die elektrische Übertragung aller EOS-Kamerafunktionen erlaubt.

Zwischenringe sind eine den Objektivauszug verlängernde Maßnahme und damit eine preisgünstige Alternative zum Balgengerät. Meist sind drei Ringe unterschiedlicher Länge zu einem Set kombiniert. Mit einem 50-mm-Objektiv (KB-äquivalent) wird damit in der Regel ein Abbildungmaßstab um 1:1 möglich. Besonders empfehlenswert sind Auto- Zwischenringe, bei denen sämtliche Kamerafunktionen inklusive der Offenblendenmessung und dem Autofokus erhalten bleiben. Auto-Zwischenringe sind zum Teil von den Kameraherstellern selbst, aber auch von Fremdherstellern wie B.I.G. erhältlich.
Ein Balgengerät ist eine variable Auszugsverlängerung; der Auszug lässt sich per Feintrieb stufenlos variieren. Je nach Objektivbrennweite erreichen Sie damit Abbildungsmaßstäbe bis 10:1 (zehnfache Vergrößerung) und tauchen in Motivwelten ein, die für das bloße Auge unsichtbar bleiben. Automatik-Balgengeräte haben den Vorteil, dass Offenblendenmessung und Springblende erhalten bleiben; bei wenigen Modellen wie dem Balcan AF von Novoflex gilt das sogar für den Autofokus. Idealerweise werden Balgengeräte mit Makro- Objektiven bestückt. Sie lassen sich aber auch mit anderen Festbrennweiten oder Zoomobjektiven kombinieren.
Maßstab und Brennweite
Verwendet man eine Digitalkamera mit einem Bildsensor im Kleinbildformat (36 x 24 mm) und ein 50-mm-Objektiv, erreicht man den Abbildungsmaßstab 1:1, wenn die Auszugsverlängerung exakt dieser Brennweite entspricht. Der komplette Auszug entspricht also dem doppelten Brennweitenwert (in diesem Fall: 100 mm). Halbiert man dagegen die Brennweite bei gleichbleibender Auszugsverlängerung, dann verdoppelt sich der Abbildungsmaßstab: 50 mm Auszugsverlängerung ergeben bei einem 24-mm-Objektiv einen Abbildungsmaßstab von 2:1.
Was für den Abbildungsmaßstab gilt, trifft analog auf den Objektabstand zu: Bei gleicher Auszugsverlängerung erreicht man mit einem 100-mm-Objektiv eine doppelt so große Entfernung zum Motiv wie mit einer 50-mm- Brennweite. Das bedeutet: Sehr hohe Abbildungsmaßstäbe lassen sich mit kurzen Brennweiten, aber mit wenig Abstand zum Objekt erzielen. Längere Brennweiten ermöglichen dagegen größere Aufnahmeabstände, mehr Arbeitskomfort und eine variablere Lichtführung.

Zum Vergleich: Für eine Makroaufnahme im Maßstab 1:1 ist die Frontlinse bei einem Micro- Nikkor 3,5/85 mm G ED VR knapp 150 mm vom Motiv entfernt, während der Abstand beim AF-S DX Micro-Nikkor 2,8/40 mm auf weniger als 40 mm schrumpft. Die größere Aufnahmedistanz bei längeren Brennweiten ist zum einen günstig mit Blick auf die Fluchtdistanz: Kleinlebewesen tolerieren die sich nähernde Frontlinse eines Objektivs nur bis zu einem gewissen Punkt, bevor sie die Flucht ergreifen.
Zum anderen ergibt sich dadurch ein größerer Spielraum für die Lichtführung mit Makro-Blitzgeräten oder LED-Leuchten. Berücksichtigen Sie dabei, dass die Verwendung der Sonnenblende den Abstand zum Objekt wieder schrumpfen lässt. Und auch im Hinblick auf die Abschattung des Motivs ist die Sonnenblende häufig problematisch. Aus diesem Grund verwendet man sie nur dann, wenn sie in der konkreten Aufnahmesituation erkennbare Vorteile für die Bildqualität bringt.
Makro und Autofokus
Bei statischen Objekten kann man auf den Aufotokus gut verzichten: Entweder man fokussiert manuell oder durch Variieren der Entfernung zwischen der Frontlinse und dem Objekt, nachdem man zuvor den Abbildungsmaßstab in etwa festgelegt hat. Wird vom Stativ gearbeitet, ist ein Einstellschlitten sehr hilfreich. Eine besonders präzise Fokussierung ist im Live-View-Modus am Monitor der Kamera möglich, wenn man die Bildschirmlupe zuschaltet und Fokussierhilfen wie das Peaking - scharfe Kanten werden farblich hervorgeben - verwendet.
Ist der Kameramonitor auch noch verschwenkbar, werden Aufnahmen in Bodennähe wesentlich komfortabler. Eine andere Möglichkeit ist es, die Kamera in Kombination mit einem Smartphone oder Tablet im Remote- Modus zu verwenden. Dann ist das Live-Bild am Smartphone oder Tablet sichtbar, egal wo die Kamera gerade steht.
Beim Fotografieren von Kleinlebewesen funktioniert das weniger gut, weil man mit der Kamera häufig die Position wechseln muss. Mit dem Autofokus wird man in diesem Fall häufiger zum Schuss kommen. Haben Sie eine SLR-Kamera im Einsatz, werden Sie mit dem Phasen-AF der Kamera bessere Karten haben als mit dem meist trägen Kontrast-AF im Live-View-Modus. Anders bei spiegellosen Systemkameras, die zum Teil im Live-View ebenso schnell scharfstellen wie die besten SLR-Kameras mit Phasen-AF.
Tipp: Vergrößern Sie im Zweifelsfall die Aufnahmedistanz und versuchen Sie nicht angestrengt, das Objekt formatfüllend zu fotografieren. Der Zugewinn an Schärfentiefe erhöht die Trefferwahrscheinlichkeit, und viele Kameras bieten heute dank hochauflösender Bildsensoren mit über 20 Megapixeln genug Reserven für nachträgliche Bildausschnitte. Bei Spiegelreflexkameras sollten Sie - wenn möglich - die Spiegelvorauslösung aktivieren, um mögliche Vibrationen durch den Spiegelschlag zu umgehen.
Schärfentiefe und Bildqualität
Durch die kurzen Aufnahmedistanzen ist man in der Makrofotografie mit einer geringen Schärfentiefe konfrontiert, die Gestaltungsmittel und Stolperstein zugleich ist. Einerseits schafft der Übergang von scharfen zu unscharfen Bildpartien bei Makroaufnahmen den Eindruck von Tiefe im Bild. Die selektive Schärfe macht das Foto plastischer und lässt die Partien im Fokusbereich umso schärfer wirken.
Die Kehrseite der Medaille ist, dass es manchmal nicht gelingen kann, alle bildwichtigen Details scharf abzubilden. Der Fotograf muss also entscheiden, wie klein der Schärfebereich beim jeweiligen Motiv sein darf. Zur Orientierung: Bezogen auf das Kleinbildformat beträgt die Schärfentiefe beim Abbildungsmaßstab 1:1 und bei Blende 16 kaum mehr als 2 mm. Kein Problem, wenn Sie z.B. ein Uhrwerk im Reprostil frontal abbilden wollen - ein Thema aber bei Motiven mit mehr räumlicher Ausdehnung.
Erweitern lässt sich die Schärfentiefe bekanntlich durch Abblenden, wobei die meisten Objektive ihr Leistungsmaximum durch Abblenden um zwei bis drei Stufen erreichen. Hat Ihr Makro- Objektiv zum Beispiel eine Anfangsöffnung von 1:2,8, können Sie bei Blende 5,6, aber auch noch bei Blende 8 und häufig auch bei Blende 11, auf sehr gute bis gute Ergebnisse hoffen. Wird noch stärker abgeblendet - was bei Makroaufnahmen oft unvermeidlich ist - verringert die Beugung der Lichtstrahlen die Allgemeinschärfe.
Feine Details im Motiv werden dann nicht mehr gestochen scharf, sondern leicht verwaschen abgebildet. Das spielt vor allem dann eine Rolle, wenn hochauflösende Makro-Objektive im Spiel sind. In der Verbindung mit einfachen Vorsatzlinsen (nicht Achromaten), die ohnehin kein Maximum an Schärfeleistung ermöglichen, steht dagegen eher die Qualitätsverbesserung durch Abblenden im Vordergrund.
Eine spezielle Methode, die Schärfentiefe bei Makroaufnahmen zu erhöhen, ist das sogenannte Focus-Stacking. Dafür werden mehrere Aufnahmen mit unterschiedlicher Fokussierung gemacht. Nachträglich kombiniert man dann die Einzelaufnahmen per Software zu einem Bild mit durchgängiger Schärfe. Möglich ist das zum Beispiel mit den aktuellen Versionen von Photoshop oder mit Spezial- Software wie Helicon Focus, erhältlich in verschiedenen Versionen zu Preisen ab 30 Dollar (1-Jahres- Lizenz).