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DVB-T2 HD: Geschäftsführerin der Deutschen TV-Plattform im Interview

4.1.2016 von Andreas Stumptner

Zum baldigen Start von DVB-T2 HD hat das video-Magazin Carine Chardon, Geschäftsführerin der Deutschen TV-Plattform, im Interview.

ca. 8:35 Min
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Carina Chardon
Carine Chardon ist Leiterin Medienpolitik / Medienrecht im ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie und Geschäftsführerin der Deutschen TV-Plattform e.V.
© ZVEI

1. Welche Bedeutung hat die Umstellung von DVB-T auf DVB-T2 HD aus Sicht der Deutschen TV-Plattform? 

Carine Chardon: Eine große, weil diese Umstellung eine Herausforderung für die gesamte Verwertungskette mit sich bringt, also für nahezu alle Interessengruppen, die wir repräsentieren. Mit DVB-T2 wird ein neuer Fernseh-Standard eingeführt. Das hat Auswirkungen auf die Ausspielung, Übertragung und den Empfang von Rundfunksignalen. Wie die meisten Technologien ist DVB-T2 nicht "rückwärtskompatibel", was bedeutet, die Zuschauer benötigen neue Empfangsgeräte - die DVB-T-Empfangstechnik wird nicht mehr nutzbar sein, sobald die Umstellung abgeschlossen ist. Erschwerend kommt hinzu, dass DVB-T2 aus Effizienzgründen in Deutschland mit dem neuen Kompressionsstandard HEVC gekoppelt wird. Damit wird hierzulande eine andere Empfangstechnik notwendig als etwa in Österreich, wo DVB-T2 bereits eingeführt wurde, aber auf Grundlage der MPEG.4-Kompression. In den letzten Monaten haben daher Sender, Netzbetreiber und Endgeräte-Hersteller in Deutschland mit Hochdruck daran gearbeitet, die notwendigen Parameter für die Empfangstechnik abzuklären, damit DVB-T2-Endgeräte für Deutschland zur Verfügung stehen.

Die zwei großen Herausforderungen liegen also darin, zum einen die vom Umstieg betroffenen Fachkreise zu informieren, und zum anderen die Zuschauer über die anstehenden Veränderungen aufzuklären. Die Deutsche TV-Plattform hat sich beiden Challenges verschrieben.

2. Welche Bedeutung wird DVB-T2 HD künftig im Vergleich zu Empfangsarten wie Sat, Kabel und IP haben?

Chardon: Der Anteil der DVB-T-Nutzung liegt in Deutschland seit einigen Jahren relativ konstant bei 10% der Fernsehhaushalte. Damit bildet die Antenne das Schlusslicht in der Verteilung der klassischen Rundfunk-Übertragungswege. Die Einführung von DVB-T2 wird da vermutlich nicht zum Game Changer. Aber sie kann helfen, das terrestrische Fernsehen im Wettbewerb der Übertragungswege wieder ein wenig zu stärken - hierzu dürften einige Aspekte beitragen:

Entscheidend ist, dass mit der Einführung von DVB-T2 das Antennenfernsehen in Deutschland für hochauflösendes Fernsehen fit gemacht wird. HDTV ist seit 2010 "Standard" am deutschen Fernsehmarkt, und die hohe Bildqualität wird von den Zuschauern zunehmend nachgefragt. Die DVB-T-Haushalte haben dabei bisher das Nachsehen, da DVB-T in Deutschland der einzige Übertragungsweg ist, über den keine HDTV-Kanäle verbreitet werden. Der Grund ist, dass Deutschland DVB-T relativ früh eingeführt hat, im Fokus stand damals v.a. der Vielfaltsgewinn gegenüber dem analogen Fernsehen. Inzwischen ist HDTV aber für die Attraktivität des Fernsehens so groß, dass es für die Antenne einen notwendigen Schritt darstellt, HDTV anzubieten, auch vor dem Hintergrund des Wettbewerbs der Übertragungswege.

Natürlich wird mit der Einführung von DVB-T2 auch die Anzahl der Fernsehprogramme, die über die Antenne empfangbar sind, wieder weiter zunehmen. Bedeutsam ist auch, dass künftig bundesweit sowohl öffentlich-rechtliche als auch kommerzielle Sender zum Angebotsspektrum gehören, was heute ja nur in den Ballungsräumen der Fall ist. Mehr Programmvielfalt und HDTV-Qualität können also dazu beitragen, dass die Antenne sich als Alternative zu den anderen drei Verbreitungswegen positioniert.

3. Für entsprechend gerüstete Endgeräte gibt es das grüne DVB-T2 HD-Logo. Was genau sind die Mindestvoraussetzungen für einen Hersteller, um dieses Logo verwenden zu dürfen? Und was sagt es dem Verbraucher? 

Chardon: Die oben erwähnten Parameter, die für den Empfang von DVB-T2 in Deutschland notwendig sind, wurden in den "Minimum Requirements" für DVB-T2 HD niedergeschrieben. "DVB-T2 HD" ist übrigens die Bezeichnung für das DVB-T2-System in Deutschland, und steht verkürzt gesagt für die Kombination DVB-T2 plus HEVC (siehe oben). Die Minimum Requirements wiederum richten sich an die Geräteindustrie. Geräte, welche die Minimum Requirements erfüllen, qualifizieren sich für das grüne Logo "DVB-T2 HD". Geräte, die typischerweise das Logo tragen können, sind TV-Geräte und Digitalreceiver ("Set Top Boxen").

Für den Verbraucher ist das grüne Logo eine Orientierungshilfe beim Gerätekauf. Geräte, die das grüne Logo tragen, sind in der Lage, DVB-T2-Dienste in Deutschland zu empfangen und darzustellen. Es ist wichtig zu wissen, dass das allgemeine Standard-Logo "DVB-T2" (schwarze und blaue Schrift) noch keinen ausreichenden Anhaltspunkt für den Empfang von DVB-T2 HD gibt! Ebenfalls wissenswert ist, dass einige TV-Kanäle im DVB-T2-HD-Angebot verschlüsselt ausgestrahlt werden. Das betrifft die kommerziellen Sendergruppen. Für diese Programme braucht der Zuschauer dann neben der geeigneten Empfangstechnik für DVB-T2 HD auch eine Entschlüsselungsvorrichtung. Die kann entweder im Gerät selber stecken (in der Regel ist das bei Set Top Boxen der Fall), oder kann über ein externes Modul mit dem Fernseher nachgerüstet werden. Das grüne Logo gibt einen Hinweis darauf, dass eine Schnittstelle vorhanden ist, mit der ein Entschlüsselungs-Modul verbunden werden kann.

4. Wer steckt genau hinter dem Runden Tisch, der die Spezifikationen für DVB-T2 HD ausgearbeitet hat? 

Chardon: Der Runde Tisch hat nicht nur diese technische Spezifikation erarbeitet, sondern begleitet und koordiniert den gesamten Umstellungsprozess. Er setzt sich zusammen aus ARD, den Medienanstalten, Mediengruppe RTL Deutschland, ProSiebenSat.1 Media, VPRT und ZDF. Bei den Minimum Requirements haben aber naturgemäß eine Menge mehr Unternehmen mitgearbeitet, unter anderem der Sendenetzbetreiber Media Broadcast und die in der Deutschen TV-Plattform organisierten Hersteller von Empfangsgeräten. Es war sehr wichtig, das gesamte Know-How der Branche und der verschiedenen Handlungsstufen an einen Tisch zu bringen, um eine schlüssige Dokumentation auf die Beine zu stellen.

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5. Welche konkreten Vorteile versprechen sich die TV-Sender vom Umstieg?

Chardon: Die wichtigsten Faktoren habe ich bereits beschrieben: Mit DVB-T2 HD wird es endlich HDTV-Qualität über die Antenne geben. Es wird noch mehr TV-Kanäle geben, und bundesweit ein Angebots-Mix aus öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern verfügbar sein. Aus Sicht der kommerziellen Sender kommt die Möglichkeit hinzu, ihre Programme mit einem Signalschutz zu versehen. Das ist bei den anderen Verbreitungswegen ja bereits Realität: HDTV-Programme der Privatsender sind nur verschlüsselt empfangbar. Insofern werden hier die Vermarktungsbedingungen angeglichen.

Die Umstellung hat aber noch eine andere Dimension für die Rundfunkanbieter: Mit der Kombination von DVB-T2 mit HEVC können die Sender deutlich mehr Programme in besserer Bildqualität zu geringeren Kosten verbreiten. Diese ökonomische Betrachtung ist ein wichtiges Element für die Anbieter.  Und last but not least sinkt durch die höhere Effizienz von DVB-T2 auch das benötigte Frequenzspektrum. Da hat die Politik mit ihrer Entscheidung, das 700-MHZ-Spektrum für mobile Breitbanddienste verfügbar zu machen, maßgeblich zur (schnellen) Einführung von DVB-T2 in Deutschland beigetragen.

6. Was kostet bzw. wer bezahlt eigentlich die Umstellung von DVB-T auf DVB-T2  HD? 

Chardon: Zunächst gehen die Sendenetzbetreiber mit Millionen in Vorleistung, denn das gesamte Sendenetz muss umgerüstet werden. Auch der Plattformveranstalter hat hohe Investitionskosten, um das neue System auf die Beine zu stellen. Die Sender investieren ihrerseits, Verträge über ihre Verbreitung via DVB-T2 HD werden mit Sendenetz- bzw. Plattformbetreibern ausgehandelt.  Auch für die Zuschauer entstehen Kosten, denn neue Empfangsgeräte werden benötigt. Das heißt allerdings nicht, dass jeder gleich einen neuen Fernseher anschaffen muss. Wer mit seinem TV-Gerät zufrieden ist, kann einfach einen Digitalreceiver kaufen und damit den Fernseher nachrüsten. Allerdings sollte das Fernsehgerät HDTV-fähig sein, genau genommen eine 1080p-Auflösung ("Full HD") unterstützen, da die Sender mehrheitlich in diesem Standard ausstrahlen werden.

Es empfiehlt sich außerdem, beim Empfangsgerät auf die Smart-TV-Funktion mit dem interaktiven Fernseh-Standard "HbbTV" zu achten, da der Plattformbetreiber und die Sender ergänzend zu den TV-Programmen zusätzliche Inhalte wie die Mediatheken über das Internet zur Verfügung stellen, die eine gute Ergänzung zum Rundfunkprogramm darstellen. Ein weiterer Faktor kommt auf diejenigen zu, die Privatsender über DVB-T2 HD nutzen wollen. Mit der oben erwähnten Verschlüsselung der Programme geht nämlich einher, dass künftig auch Zugangskosten anfallen. Ein so genanntes Zugangs-Entgelt für private HD-Programme ist bei den anderen Infrastrukturen in Deutschland ja bereits seit einigen Jahren üblich. Die genauen Kosten sind hier noch nicht vom Plattformbetreiber genannt worden. Orientieren kann man sich aber vermutlich an den Kosten der HD-Pakete über die anderen Empfangswege.

7. ARD und ZDF meinen, H.265 bzw. HEVC stünde erst 2017 massentauglich zur Verfügung. Woran hapert es noch? 

Chardon: HEVC ist ja ursprünglich keine Erfindung fürs Antennenfernsehen, sondern für Ultra HD, um die Datenmenge für Bewegtbild mit der fünffachen Auflösung von HDTV auch zu vernünftigen Konditionen verbreiten zu können. Da sich Ultra HD schnell und erfolgreich verbreitet und die entsprechenden Empfangsgeräte "massentauglich" schon jetzt zur Verfügung stehen, "hapert" es technisch an nichts. Das zeigen übrigens auch die Testprojekte, die derzeit in Berlin, Köln und München erfolgreich laufen. Insofern ist die Herausforderung weniger die "Massentauglichkeit" als die tatsächliche Verbreitung der Geräte in den Haushalten. Es dauert eben, bis die Zuschauer auf neue Technologien umgerüstet sind. Deshalb ist es zu begrüßen, die eigentliche Umstellung erst ab 2017 vorzunehmen.

8. Was sind aus Sicht der TV-Plattform die nächsten wichtigen Schritte für eine erfolgreiche Einführung von DVB-T2 HD? 

Chardon: Zunächst wird im Frühsommer 2016 eine Einführungsphase gestartet, bei der die Zuschauer erstmals HD-Programme über die Antenne mit DVB-T2 HD empfangen können. Dabei wird in einigen Ballungsräumen zusätzlich zu DVB-T (das nahtlos weiterläuft) ein zusätzlicher Multiplex für DVB-T2 HD aufgeschaltet, mit einem Mix aus reichweitenstarken öffentlich-rechtlichen und privaten Programmen. Genaueres ist leider noch nicht bekannt, aber wir gehen davon aus, dass dann auch die großen Sportereignisse in 2016 wie Olympiade und Fußball-EM in HDTV verfügbar sein werden.

Voraussetzung ist allerdings, dass die Zuschauer dafür über entsprechende Empfangsgeräte verfügen. Erste geeignete Geräte gibt es ja bereits im Handel, aber wir rechnen damit, dass ab Jahresbeginn 2017 die Auswahl steigt und vor allem auch DVB-T2 HD Set-Top-Boxen verfügbar sein werden.  Ab dem 1. Quartal 2017 soll dann der Regelbetrieb von DVB-T2 HD beginnen und schrittweise bis Mitte 2019 alle Multiplexe vollständig umgestellt werden - erst in den Ballungsräumen und später in den Regionen. Details gibt regelmäßig und aktuell das Projektbüro DVB-T2 HD unter www.dvb-t2hd.de bekannt.  

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