Fernsehen & Internet
So sieht die Zukunft von HbbTV aus
Fernsehen und Internet haben endgültig zueinander gefunden. In diesem Jahr werden die Weichen für die Zukunft gestellt. Was kann man von HbbTV erwarten?

Das Jahr 2013 könnte den ganz großen Durchbruch für HbbTV bringen. Im November 2012 trafen sich die rund 65 Mitglieder des HbbTV-Konsortiums in stiller Runde und trugen eine Liste aus Wünschen und Notwendigkeiten zusammen. Ihr Ziel: Sie wollen den interaktiven Dienst Hybrid Broadcast Broadband TV, der Fernsehen und Internet zusammenführt, auf den allerneuesten Stand bringen.
Schon vor Kurzem wurden neue Details in den Standard integriert. Adaptive Streaming als eines der wichtigsten sorgt nun dafür, dass sich die empfangene Datenmenge automatisch an die Kapazität des jeweiligen Internet-Anschlusses anpasst. So sollen Aussetzer bei der Wiedergabe von Bewegtbildern oder die händische Eingabe der maximalen Auflösung für Bestellfilm-Services (Video on Demand) obsolet werden.
Brandneue Dienste
"HbbTV 2.0" lautet das Stichwort für die TV-Zukunft. Die Liste des Konsortiums ist lang. Vieles davon wird jedoch nicht gleich umgesetzt werden können oder bedarf der Diskussion.
Ganz oben auf der Agenda steht die Implementierung des offenen Internet-Formats HTML 5 mit dem Ziel, proprietäre Anwendungen auszuschließen. Angedacht sind außerdem Push-Dienste, die Nachrichten auf den TV-Bildschirm senden - beispielsweise zu Werbezwecken. Darüber hinaus soll sich in Zukunft über das Internet immer die Originalsprachfassung des im Fernsehen spielenden Films verschicken lassen.
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Möglich wird das alles, weil sich HbbTV im vergangenen Jahr endgültig als Standard etabliert hat. Das bestätigt Konsortiumsmitglied Klaus Merkel vom Institut für Rundfunktechnik (IRT). Bereits in diesem Jahr könnte HbbTV 2.0 verabschiedet werden und die Szene vorantreiben. Darüber hinaus sind schon jetzt neue Services auf dem Weg, die im Laufe des Jahres starten sollen.
In Arbeit sind zudem Ergänzungen zu bisherigen Angeboten. Die Sendergruppe ProSiebenSat.1 will ähnlich wie die öffentlich-rechtlichen Programme die eigene Mediathek forcieren und gleichzeitig ihr Bestellfilmangebot Maxdome integrieren. So bekommt der Begriff "Videocenter" in der HbbTV-Startleiste eine völlig neue Dimension.
Die ARD wiederum hat erst vor Kurzem ihre Mediathek attraktiver und funktionaler gestaltet. Und Tonmeister Dolby klopft bereits an die Tore der Programmanbieter mit der Frage, warum die Mediatheken nicht längst Surround-Sound übertragen.
Second Screen
Wie das moderne Fernsehen mit den Vorteilen des Internets sonst noch kombiniert werden kann, scheint für die Zukunft völlig offen zu sein. Neue Begriffe tauchen auf, die allerdings unterschiedlich verwendet werden. Allen voran: "Second Screen".
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Gemeint ist dabei grundsätzlich, dass neben dem "ersten" Bildschirm, dem Fernseher, noch ein zweiter zum Einsatz kommt. Angetrieben wird diese Entwicklung durch die beliebten Tablets und Smartphones. Das IRT hat in einer Konzeptpräsentation den HbbTV-Dienst rbbtext mit einem solchen Zweit-Screen verknüpft. Dabei greifen die Anwendungen mit ihren Funktionen direkt ineinander.
Beim Sender ProSieben funktionieren die beiden Screens eher nebeneinander. Während eine Sendung läuft, bieten HbbTV-Einblendungen zusätzliche Unterhaltung und machen obendrein massiv auf ergänzende Angebote im Internet aufmerksam. Letztlich sollen die Fans am Fernsehschirm die Sendung verfolgen und gleichzeitig mit dem Tablet auf der zugehörigen, aufwendig gestalteten Internet-Seite chatten oder Zusatzinformationen einholen.
Am einfachsten setzt schließlich RTL II den Second-Screen-Ansatz um. Am Fernseher selbst findet überhaupt keine Interaktivität statt. Auf einer speziellen Facebook-Seite und über eine Smartphone-App geht demgegenüber die Internet-Post ab.
Social TV
Chatten, weitere Fans einer Sendung finden, sich vielleicht zum Jubiläum einer TV-Serie treffen - ob via Second Screen oder HbbTV-Fernseher, in "Social TV" erkennen Programmanbieter sowie Werbetreibende ein immenses Bedürfnis aktueller und kommender Zuschauergenerationen.
Am PC ist der rege Austausch in Chatrooms, auf Fanseiten oder in Foren bereits für viele eine tägliche Lieblingsbeschäftigung. Es ist auch ein Trend erkennbar, am Fernseher über das laufende TV-Programm zu diskutieren und Freunden Hinweise auf weitere Sendungen zu geben.
Axel Meiling, Unternehmensberater für New TV, fürchtet, dass HbbTV hier bereits den Anschluss verpasst hat. "Die Sender haben ihre Chance nicht genutzt und zu wenig kreative Kraft entfaltet", lautet sein Urteil. Die Bedienung vereinfachende Ansätze wie das Second-Screen-Konzept des IRT seien gut gemeint, kommen aber zu spät - Social Media werde kein HbbTV-Phänomen, sondern bleibe Web-spezifisch.
Interview: Lars Friedrichs über HbbTV
Dieser düsteren Prognose wollen sich die Programmanbieter nicht anschließen. Lars Friedrichs von ProSiebenSat.1 sieht den Fernseher zwar noch im Nachteil, würde Techniken wie die vom IRT aber lieber heute als morgen einsetzen - sobald sie komplett ausgereift sind. Und selbst Nachzügler wie RTL II wollen im Laufe des Jahres HbbTV-Anwendungen mit Social-TV-Charakter starten. Zudem warten alle gespannt auf HbbTV 2.0.
Der Social-TV-Trend bringt nicht nur Spaß, sondern lässt sich auch in bare Münze umsetzen. Eine Infratest-Studie, die in Zusammenarbeit mit Wirkstoff TV entstand, einem Zusammenschluss aus neun deutschen TV-Vermarktern, beleuchtete unlängst die Wirkung von Social TV.
Das Ergebnis: Social-Media-Teilnehmer, die sich am TV oder via Second Screen über das Fernsehprogramm austauschen, bleiben länger am TV-Schirm und bei der jeweils ausgewählten Sendung. So wird Social TV auch ein wichtiger Schritt in Richtung individualisierte Werbung.
Niko Steinkrauß, Managementberater Medien & Technologie, schwärmt für "Big Data": Aus allen Kanälen sollen nach dem Vorbild der USA Nutzerdaten gesammelt und verknüpft werden. Social Media sowie die TV-Nutzung selbst sind dabei wichtige Quellen. Das Ergebnis führe schließlich zu "differenziertem Präsentieren von Inhalten und Werbung", was der Kunde "letzlich gut findet und zu entsprechender Akzeptanz führt".
Werbung und Spiele
Auch Spontaneität und Spaß soll HbbTV bringen, etwa beim TV-Shopping. Derzeit gibt es noch keine Möglichkeit, per einfachen Knopfdruck einzukaufen. Die Firma TEVEO ermöglicht dies samt persönlicher Ansprache. Spiele sind ebenfalls noch Mangelware. ProSieben hat den ersten Schritt gemacht und fordert zum Memory-Knobeln auf, wenn "The Voice of Germany" gerade Pause macht.
Praxis: So sieht YouTube auf dem Fernseher aus
Das Pong-Spiel der Firma Mineus wirkt simpel, zeigt aber, dass Steuerbefehle ohne Verzögerung via HbbTV möglich sind und Spieler in Deutschland über HbbTV-Fernseher gegeneinander antreten können.
Stirbt das Fernsehen aus?
Angesichts der neuen Angebote verändert sich das bekannte Fernsehen. Die Diskussion dreht sich zunehmend darum, ob das "lineare Fernsehen" mit seinem vorgegebenen, am Stück präsentierten Programm ausstirbt.
Hier gehen die Meinungen weit auseinander. Auf den Münchner Medientagen entbrannte unlängst eine heiße Diskussion. "Klar geht das Nutzerverhalten in Richtung non-lineare Rezeption", meint Mirjam Laux, Managing Director Fox Channels. Marc Schröder, RTL-Geschäftsführer, sieht die non-lineare TV-Nutzung als Ergänzung zur klassischen, aber nicht als kompletten Ersatz.
Arnd Benninghoff, Geschäftsführer ProSiebenSat.1 Digital, will möglichst viele "Beiboote" schaffen, die das TV-Programm in seiner bekannten Form flankieren und neue Chancen für den Sender bieten.
Sicher scheint, dass der moderne TV-Konsument nicht mehr einfach nur fernsieht. Er wird sich sein Abendprogramm etwa gezielt aus kostenpflichtigen Bestellfilmen zusammenstellen oder über Mediatheken das TV-Angebot des jeweiligen Senders nochmals abrufen. Welche weiteren Möglichkeiten HbbTV in Zukunft noch bieten wird, bleibt abzuwarten. video wird zu gegebener Zeit darüber berichten.






